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Position zu den „verwaisten Werken“ im Schreiben der Deutschen Literaturkonferenz an das BMJ vom 19. Oktober 2009

Berlin, 19. Oktober 2009.

Bundesministerium der Justiz
Frau Ministerialrätin Dr. Irene Pakuscher
Mohrenstraße 37
10117 Berlin

Sehr geehrte Frau Dr. Pakuscher,

Die Deutsche Literaturkonferenz, gemeinsame Stimme der am literarischen Leben in Deutschland maßgeblich beteiligten Verbände und Organisationen, hat sich in ihrer Sitzung am 16. Oktober 2009 erneut mit „verwaisten Werken“ befasst. Unter verwaisten Werken sind urheberrechtlich geschützte Werke zu verstehen, deren Rechteinhaber nicht ermittelt oder ausfindig gemacht werden können. Verwaiste Werke können bei den Digitalisierungsbemühungen der Bibliotheken – insbesondere im Zusammenhang mit der Deutschen Digitalen Bibliothek und der Europäischen Digitalen Bibliothek – zu ganz erheblichen Schwierigkeiten führen.

Die Literaturkonferenz begrüßt deshalb das Projekt von Deutscher Nationalbibliothek, Börsenverein des Deutschen Buchhandels und VG WORT, eine digitale Nutzung von verwaisten Werken zu ermöglichen. Das Projekt wurde im Rahmen der Arbeitsgruppe Digitale Bibliotheken der Deutschen Literaturkonferenz entwickelt und sieht als Kernelemente die sorgfältige Suche nach den Rechteinhabern entsprechend einem gemeinsam entwickelten Suchplan, eine Freistellungserklärung der VG WORT gegenüber den Bibliotheken und die Zahlung einer angemessenen Vergütung vor.

Die Literaturkonferenz hält darüber hinaus auch eine gesetzliche Regelung zur Nutzung von verwaisten Werken für dringend erforderlich. Eine solche Regelung sollte folgende Eckpunkte berücksichtigen:

– eine sorgfältige Suche nach den Rechteinhabern (z. B. auf der Grundlage o.g. Suchplans)
– die Zahlung einer angemessenen Vergütung
– die Freistellung der Nutzer
– eine Abwicklung über Verwertungsgesellschaften
– die Möglichkeit des Rechteinhabers, einer zukünftigen Nutzung zu widersprechen.

Eine konkrete Formulierung könnte in Anlehnung an § 13c Abs. 3 UrhWG wie folgt lauten:

§ 13d – neu – Verwaiste Werke –

(1) Hat eine sorgfältige Suche ergeben, dass bei geschützten Werken der Rechteinhaber nicht feststellbar ist, so gilt die Verwertungsgesellschaft, die Rechte an Werken dieser Art wahrnimmt, als berechtigt, Nutzungsrechte für die elektronische Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung einzuräumen. Für die Nutzung ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Die Verwertungsgesellschaft hat den Nutzer von Vergütungsansprüchen des Rechteinhabers freizustellen.

(2) Wird der Rechteinhaber bekannt, so hat er im Verhältnis zu der Verwertungsgesellschaft die gleichen Rechte und Pflichten, wie wenn er ihr seine Rechte zur Wahrnehmung übertragen hätte. Die Berechtigung der Verwertungsgesellschaft entfällt mit Wirkung für die Zukunft, wenn der Rechteinhaber ihr gegenüber schriftlich erklärt, seine Rechte selbst auszuüben.

Die Literaturkonferenz bittet das Bundesministerium der Justiz, möglichst schnell einen Regelungsvorschlag zu erarbeiten, um die Nutzung von verwaisten Werken auf eine gesicherte gesetzliche Grundlage stellen zu können. Eine nationale Regelung könnte dabei Vorbildcharakter für eine europäische Vorschrift haben, die ebenfalls erforderlich ist, um eine grenzüberschreitende Nutzung von verwaisten Werken – insbesondere bei der Europäischen Digitalen Bibliothek – zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Hensel
Sprecherin der Deutschen Literaturkonferenz