Angelika Casper und ihre Mitstreiterinnen Christel Mannhardt und Ina Philippsen-Schmidt

Preisträger 2004 der Karl-Preusker-Medaille

Im Jahr 2004 ehrt die Deutsche Literaturkonferenz das bürgerschaftliche Engagement der Gründerinnen des Kölner Aktionsbündnisses „Leselust statt Pisafrust“ Angelika Casper, Christel Mannhardt und Ina Philippsen-Schmidt und würdigt damit ihre Verdienste um den Ehalt der Schulbibliotheken an 21 Kölner Schulen.

ausz1-1 Angelika Casper
wurde 1952 in Köln geboren und wohnt im Agnesviertel Köln / Neustadt-Nord.
Die Mutter zwei erwachsener Söhne und einer 17jährigen Tochter ist staatl.examinierte Krankenschwester und arbeitet seit 30 Jahren als nephrologische Fachkraft im Bereich Dialyse. Seit Ende der achtziger Jahre ist sie engagiertes Mitglied verschiedener Gremien und Ausschüsse der Integrierten Gesamtschule Köln-Holweide. Sie wirkt aktiv in der Klassen- und Jahrgangspflegschaft mit und vertritt ihre Schule im Arbeitskreis Kölner Gesamtschulen.
Hobbies: Lesen, eigene Bibliothek, Restaurierung alter Möbel, Reisen, Gartenarbeit, Blumen und Pflanzen.

ausz2-1Christel Mannhardt,
geboren 1949, lebt in der Kölner Südstadt. Sie hat Zwei Töchter, 15 und 18 Jahre alt und ist von Beruf Lehrerin, aber seit mehreren Jahren nicht mehr im Schuldienst.
Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich engagiert, zunächst in Kinderläden, dann in der Grundschule und seit 1999 in der Europaschule Köln, dort seit 4 Jahren Schulpflegschaftsvorsitzende.
Hobbies: Lesen, Sport, Reisen, unterschiedliche Freizeitaktivitäten in Gruppen.

Ina Philippsen-Schmidt,
ist Jahrgang 1953, Dipl.Ökon. FH, lebt in Köln-Port und hat zwei Kinder.
Beruflich kümmert sie sich um personalpolitische Grundsatzfragen bei einer Luftverkehrsgesellschaft. Im Privatleben bemüht sie sich um ökologische Lebensweise – z.B. mit Fotovoltaik auf dem Dach der Familie, was sie sich auch für Schulen wünschen würde.
Seit 1994 ist sie in der Elternvertretung der Lise-Meitner-Gesamtschule in Köln-Porz engagiert und deren Schulpflegschaftsvorsitzende.
Hobbies: Lesen, Standardtanzen, Kegeln, Schreiben + Organisieren für allerlei Ereignisse, Natur.

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Urkunde

Mit der Verleihung der Preusker-Medaille ehrt die Deutsche Literaturkonferenz das Engagement von Angelika Casper, Christel Mannhardt und Ina Philippsen-Schmidt, Gründerinnen des Aktionsbündnisses „Leselust statt Pisafrust“. Das Bündnis vereint Leidenschaft für Bücher und politisches Engagement, Sorge um Bildung und Freude an lebendiger Kultur. Das Engagement der Preisträgerinnen ist vorbildlich für bürgerschaftlichen Einsatz für den Bestand von Bibliotheken und für das Lesen.

Angelika Casper, Christel Mannhardt und Ina Philippsen-Schmidt, Mütter von schulpflichtigen Kindern, haben das Aktionsbündnis „Leselust statt Pisafrust“ ins Leben gerufen, in dem Eltern, Schüler, Bibliothekare, Lehrer und Autoren gemeinsam für den Erhalt der Schulbibliotheken an 21 Kölner Schulen gestritten haben, welche die Politik bereits auf die Streichliste gesetzt hatte. Für alle Bibliotheken haben sie engagierte Kölner Autorinnen und Autoren als Paten gewonnen, die mit Lesungen und Schreibwerkstätten für zusätzliche Attraktivität der Bibliotheken sorgen. Mit literarischen Veranstaltungen, Kabarett, Diskussionen mit Politikern und öffentlichen Aktionen von leselustigen Schulkindern haben sie ihr Anliegen in die Stadt getragen – mit Erfolg.

Das Aktionsbündnis fördert über den aktuellen Anlass hinaus weiter die Leselust, bringt Literatur in die Schule und in die Elternhäuser, beteiligt sich am gemeinschaftlichen Lese-Erlebnis „Ein Buch für die Stadt“. Bibliotheken und Literatur bedürfen eines solchen leidenschaftlichen Interesses ihrer Leser.

Die Deutsche Literaturkonferenz,

welche im Gedenken an Karl Benjamin Preusker,
den Pionier der Volksbüchereibewegung,
Gründer der ersten deutschen Bürgerbibliothek 1828
im sächsischen Großenhain, die

Karl-Preusker-Medaille

gestiftet hat, verleiht diese Auszeichnung

Frau Angelika Casper

Frau Christel Mannhardt

Frau Ina Philippsen-Schmidt

in Würdigung ihrer Verdienste um den Erhalt von Schulbibliotheken in Köln, ihres bürgerschaftlichen Engagements, mit dem sie Schriftsteller, Eltern, Schüler, Lehrer zu gemeinsamen Aktionen für Schulbibliotheken gewonnen und damit auch in der Öffentlichkeit deren Bedeutung für Leselust, lebendige Kultur und Bildung bewusst gemacht haben.

Berlin, den 04. November 2004

Für die Deutsche Literaturkonferenz

Dr. Georg Ruppelt

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Laudatio anlässlich der Verleihung der Preusker-Medaille am 04. November 2004
an Frau Angelika Casper, Frau Christel Mannhardt und Frau Ina Philippsen-Schmidt

von Thomas Böhm

Wem fühlen wir uns verpflichtet?

Rede zur Verleihung der Preusker-Medaille an die Initiative „Leselust statt Pisafrust“boehmDer Raum war nur in den großen Pausen und an manchen Tagen nach Schulschluß geöffnet. Er lag neben der Treppe, die zum Schulhof hinunterführte. Man hatte also die Wahl, eine viertel Stunde Brötchen mit Mohrenkopf, Mädchen nachkucken, ein Ballspiel in seiner lahmen Schulhofvariante oder in die Bibliothek. Irgendwann ging ich zum ersten Male hinein, wahrscheinlich war ich nicht allein, wahrscheinlich ging ich vor allem, weil es draußen regnete. Ich werde aber das Gefühl nie vergessen, das ich nach dem Eintreten hatte: daß alle Bücher dort für mich frei zugänglich waren, dass ich sie mitnehmen konnte, in unser Haus in der Zechensiedlung, wo es neben Comics und Karl May nichts gab. Das Gefühl, daß ich einfach an den Regalen entlanggehen und nach der Schönheit des Umschlages, nach dem Abenteuer oder dem Wissen, das ein Buchtitel versprach, auswählen konnte. Und nicht nur eines, vier pro Woche.

Ich erzähle diese Geschichte darüber, wie ich durch eine Schulbibliothek zum Leser wurde, in der kürzestmöglichen Fassung, denn die heute zu Ehrenden haben sie schon gehört. Ich erzähle sie Ihnen, meine Damen und Herren, um zu begründen, daß ich aufgrund eigener Erfahrung die Initiative „Leselust statt Pisafrust“ unterstütze.

Sie werden gleich, wenn die Preisträgerinnen die Entstehungsgeschichte der Initiative erzählen, eine ähnliche Geschichte hören und darin die wissenschaftlichen Begriffe, die man zum Erzählen einer solchen Geschichte gebrauchen kann – „Chancengleichheit“, „schulische Ressourcen“, „sozioökonomische Benachteiligung“. Begriffe, die man gegenüber Politikern anwenden muß, denn es scheint, eine andere Sprache wird nicht mehr gesprochen, anders lassen sich Ideen nicht mehr überzeugend ausdrücken.

Ich habe in diesem Jahr dutzende Reden bei Anlässen wie diesen gehört. Preisverleihungen, Stipendiumsvergaben, leider auch Totenreden. Allen war eines gemeinsam: Sie waren schal. Nicht so sehr, weil man Ihnen anhörte, das gestresste sogenannte „Kultur-Politiker“ oder sogenannte „Kultur-Schaffende“ sich wahrscheinlich eine knappe Stunde ihrer knappen Zeit genommen oder gleich ihren Redenschreiber drangesetzt hatten, der aus Parteiprogramm und Pressemiteilungen etwas zusammengemurkst hatte.
Nur nebenbei: Ich bilde mir ein, zu so einem Anlaß hätte man sich früher in eine Bibliothek gesetzt.
Den schnellen Murks nennt man heute „Professionalismus“, und oder, weil es ja alle so machen, „Tagesgeschäft“.

Mich hat bei all diesen Reden vor allem gestört, dass ein „Warum“ nie zur Sprache kam. Warum verleiht eine Institution überhaupt einen Preis, warum widmet ein Künstler sein Leben einem Werk, warum engagieren sich andere dafür? Warum hält einer eine Rede?
Man kann diese Frage noch grundsätzlicher formulieren: „Warum Kultur?“, dann wird aber die Antwort zu lang. Oder ist die Frage sogar überflüssig, weil alle das sowieso wissen, über das Warum der Kultur ein stillschweigendes Einverständnis herrscht – nur verstehe ich dann nicht, wieso Kulturpolitik in den letzten Jahren immer nur Streichen ist und Gestaltung von Kultur Umgehen und Umsetzen von Kürzungen?

Ich möchte deshalb hier konkreter werden und Ihnen und mir die Frage nach dem „Warum?“ der Kultur in ihrer wichtigsten Variante vorlegen. Sie lautet: „Wem fühlen wir uns verpflichtet?“

Ich weiß, dass das Wort „Pflicht“ aus der Mode gekommen ist, da es nach Zwang und Obrigkeit klingt. Dann doch lieber Verführung zum Lernen, spielerische Zugänge, Spaß. Nur: wie kommt man aus diesem Lustigsein zu jenem Selbstverpflichtungsgefühl, das meiner Meinung nach grundlegend ist für die Kultur. Ein Gefühl, es sich selbst schuldig zu sein, sich weiter zu bilden, emotional wie intellektuell, Anteil zu nehmen am Gemeinwesen, an der Kunst, am Schicksal anderer Menschen.
Wenn all das der Lust und dem Spiel überlassen bleibt, dann wählt man sich die lustvollsten Formen, dann möchte man z.B. sehen, wie eine mit den Mitteln der plastischen Chirurgie schwer traktierte „Pornokönigin“ in einem „Dschungelkamp“ herumläuft. Sie sehen in diesem einen Satz, dieser Konstellation alle menschenverachtenden Mechanismen von Frauen-Diskriminierung bis zum Ausschluß aus gesellschaftlichen Strukturen am Werk – alles bloß ein Spiel, alles reine Lust. Die Menschen, die so was produzieren, die Menschen, die daran teilnehmen, die Menschen, die sich das anschauen, die Menschen, die das ausstrahlen – was haben die wohl für ein Verständnis von Kultur? Wem fühlen die sich wohl verpflichtet? Der Quote. Der Unterhaltung. Dem Werbekunden.

Spaß und Kommerz – dem fühlen sich auch die Kulturformen verpflichtet, die in den letzten Jahren so erfolgreich sind. Die Events. An ihnen kann man eine weitere Dimension der Kulturlosigkeit beobachten: Die Gedächtnislosigkeit. Ein Event ist per Definition nur erfolgreich, wenn es einmalig ist. Es muß von sich behaupten, das größte Literaturfestival der Welt zu sein, eine einmalige, nie wieder zusammentragbare Ausstellung, zehn statt einem Tenor. Alles andere zählt nicht, Besseres, Größeres, Schöneres hat es nie gegeben, kann es nicht gegeben haben. Die Behauptung genügt, kein Journalist fragt nach, die Medien wollen ja mitmachen, mitspielen – siehe oben.
Aber hat nicht Charles Dickens zu einer einzigen Lesung 5.000 Besucher zusammengebracht? Wie sahen Sängerfeste im 19. Jahrhundert aus, wie eine Ausstellung des Pariser Salons?
Abgesehen davon, dass die Behauptung, alles besser zu machen, peinlich ist, ist sie auch noch dumm, denn sie vergibt die große Chance, aus dem, was die Kultur bereits geschaffen hat, zu lernen. Ohne Bewußtsein dafür dreht man sich im engen Kreis der Gegenwart und behauptet, man hätte grade das Rad erfunden.

Wo bleibt der Respekt vor dem, was die Menschen, die vor uns lebten und wirkten, geleistet haben? Warum fühlen wir uns ihnen gegenüber nicht verpflichtet? Möge mir keiner mit dem Bruch kommen, den es in der deutschen Geschichte gibt, und damit die eigene Gedächtnislosigkeit und Geschichtsunkenntnis rechtfertigen.
Wenn wir uns der Vergangenheit nicht verpflichtet fühlen und ein solches Gefühl unseren Kindern nicht vermitteln können oder wollen, warum sollte sich in Zukunft irgendjemand an uns erinnern, unseren Leistungen Respekt entgegenbringen? Sie merken es: ohne ein Verpflichtungsgefühl hört die Kultur im umfassenden Sinne auf zu existieren.

Das sei auch allen Politikern gesagt, die denken, sie könnten in die Geschichtsbücher eingehen, als die großen Sparer, als diejenigen, die die öffentlichen Haushalte saniert haben. Indem sie „freiwillige“ Kulturleistungen ach so ganz gegen ihre Überzeugung streichen. Die mit Sachzwängen argumentieren, die sie meist selbst verursacht haben. Dazu nur soviel: Wer sich der Kultur verpflichtet fühlt, dem würde es niemals einfallen, eine Bibliothek zu schließen. Im Gegenteil, der würde sich überlegen, wie man im Angesicht von demnächst 5 Millionen Arbeitslosen, die dem Dschungelkamp gegenübersitzen oder dem Dudelfunk, nicht um die kulturellen Einrichtungen herum, aus ihnen heraus, neue gesellschaftliche Strukturen, ein neues Verständnis von Arbeit, Bildung, Freizeit, Lebensinhalt, Lebensqualität schaffen könnte.
Sich der Kultur verpflichtet zu fühlen, heißt auch, sich der Zukunft verpflichtet fühlen. Den Kindern Chancen erhalten, Räume zu öffnen. Die Idee „Sie sollen es einmal besser haben als wir“ drückt, wenn sie nicht rein materiell verstanden wird, eine Selbstlosigkeit aus, die auch zur Verpflichtung der Kultur gehört.

Vergangenheit, Wissen, Bewahren, Bilden – sie merken, meine Damen und Herren, meine Überlegungen führen zwangsläufig zu einem Ort: zur Bibliothek.
Zum Archiv der Kultur. Sie verstehen, daß die Idee, Bibliotheken zu schließen, der Gipfelpunkt von Kulturvergessenheit ist. Es ist die Zerstörung von Zukunft, es ist damit eine Selbstzerstörung. Es ist auch die Zerstörung einer wunderbaren, alternativen Denk- und Erfahrungsart, die auf einem kleinen, aber ganz wichtigen Unterschied zum alltäglichen kapitalistischen Kaufen und Verkaufen beruht: Alles was man in einer Bibliothek bekommt, ist nur geliehen. Man hat die Verpflichtung, damit gut umzugehen, es zurückzugeben, damit andere es wieder lesen können. Und wenn man ein geliehenes Buch in der Hand hält, dann merkt man, dass es andere schon gelesen haben, dass man eine oder einer in eine Kette ist. So ist jeder Besuch, ist jede Entleihe eine Einübung in die Verpflichtung der Kultur.

Liebe Initiatoren von „Leselust statt Pisafrust“, Sie bekommen heute eine Medaille verliehen, die an eine große Tradition erinnert, an die Gründung eines unserer wichtigsten Kulturgüter: der Volksbibliothek. Sie erhalten sie dafür, daß Sie sich dieser Kultur verpflichtet fühlen. Ich gratuliere Ihnen, ich gratuliere den Stiftern zu Ihrer Wahl, ich gratuliere uns zu Ihrem Mut machenden Beispiel, wie ein Verpflichtungsgefühl gegenüber der Kultur wirken kann.
Wir sind Ihnen dafür zu Dank verpflichtet.

gehalten im Literaturhaus Köln am 4.11.2004
von Thomas Böhm

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Dankrede aus Anlaß der Verleihung der Preusker-Medaille 2004

Ina Philippsen-Schmidt

Liebe Gastgeber, liebe Gäste, nach der Jahrtausendwende der Schock:
Programme for International Student Assessment

Spätestens 2001 dachten auch Lehrer bei PISA nicht mehr an ihren letzten Aufenthalt in der Toskana.

Die Organisation für Wirtschafliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, bescheinigte den deutschen Schülern und Schülerinnen miserable Lesefertigkeiten.
Auch die mathematisch-naturwissenschaftlichenLeistungen lassen im internationalen Vergleich zu wünschen übrig.
Logisch, wenn man sich wegen mangelnder Lesekompetenz Textaufgaben nicht wirklich erschließen kann.

Erinnern wir uns:

Christel Mannhardt

Mit weiteren 13 Ländern liegt Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt von 32 Ländern.

PISA definiert Lesekompetenz als die Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und zu bewerten. In der Studie wurden rund 140 Aufgabengestellt, die der Art von Lesekompetenz entsprechen, die 15-jährige wahrscheinlich für ihr künftiges Leben benötigen. Einige Kinder beherrschen noch nicht einmal dieelementarsten Kenntnisse und Fähigkeiten. Sie sind zwar des Lesens im technischen Sinne mächtig, haben aber enorme Probleme, die Lesekompetenz als ein Mittel einzusetzen, das ihnen Dinge begreifbar macht.

Nach der OECD Studie besteht ein Zusammenhang zwischen Lesefähigkeit und häuslichem Zugang zu Literatur .

Das heißt, Kinder aus den sogenannten „bildungsfernen“ Schichten und Kinder, deren Eltern nach Deutschland migrierten, haben es besonders schwer. Die Migrantenkinder haben noch zusätzlich das Problem, der Unterrichtssprache Deutsch folgen zu müssen.

Einen Ausgleich zur Herstellung der Chancengleichheit – und damit der Verbesserung auch der Schülerleistungen in Deutschland – bieten schulische Ressourcen.

Die PISA-Sieger-Länder verfolgen das bildungspolitische Ziel, allen Schülern und Schülerinnen gleiche Chancen zu bieten. Nur so können alle ihr Potenzial voll entwickeln.

Meine Damen und Herren, natürlich spielen auch die kommunalen Schulträger eine entscheidende Rolle bei der Minderung der Effekte sozioökonomischer Benachteiligung.

Nicht alleine der Ruf nach mehr Lehrern ändert die Situation – moderne Lernformen erfordernSelbstlernzentren mit professioneller Betreuung, wie wir sie in den Schulbibliotheken Kölns vorfinden..

Die Schülerleistungen sind laut PISA-Studie in solchen Schulen höher, in denen die Schülerinnen und Schüler häufiger Gebrauch machen von der bereitgestellten schulischen Ausstattung – vom PC bis zum Buch.

Ina Philippsen-Schmidt

Was hat die OECD nun vorgeschlagen?. Sie empfiehlt die verstärkte Förderung von Lesekultur und Lesefreude.
Prima!
Köln ist offenbar auf einem vorbildlichen Weg.

Wir können stolz sein auf unsere Stadt, die es immerhin30% der Kölner Schüler der Sekundarstufen 1 und 2 ermöglicht, eine bewirtschaftete Schulbibliothek zu nutzen. Wir sprechen hier von den 13 Schulbibliotheken für 21 Schulen in Köln, die professionell von ausgebildeten Bibliothekarinnen und Bibliothekaren geführt werden.

Dort wird mehr getan, als Bücher für die Freizeitauszuleihen:

  • Bei der Auswahl wird beraten,
  • der Zugang zu weiteren Medien sichergestellt,
  • die Nutzung von Medien im Team unterstützt,
  • das Leseverstehen über den Deutschunterricht hinaus gefördert,
  • Lehrer werden angeleitet im Gebrauch von Literatur und anderen Medien,
  • moderne Arbeits- und Lernformen werden in Selbstlernbereichen ermöglicht,
  • Präsenzmaterial fürs Lernen steht bereit,
  • Leseerlebnisse werden geschaffen,
  • Autoren beteiligen sich,
  • und und und.

Und die Ganztagsschüler haben uneingeschränkten Zugang zu diesen Schätzen.

Die richtige Antwort auf PISA wäre gewesen, das nochauszubauen.

Aber stattdessen – Februar 2002 – der nächste Schock….

Angelika Casper

Vom Dezernat für Schule und Weiterbildung sollen 5 Mio. Euro Einsparungen für den städtischen Haushalt erwirtschaftet werden. Schnell sind sich maßgebliche – aber leider wenig sachkundige – Verwaltungsleute und Politiker einig:
die Hälfte der bewirtschafteten Schulbibliotheken soll dicht gemacht werden.

So , als hätten sie von PISA nie etwas gehört.

Diese Leute jammerten bei bildungspolitischen Veranstaltungen über die PISA-Ergebnisse und glaubten, sämtliche Räder neu erfinden zu müssen. Gleichzeitig wollten sie die seit mehr als 25 Jahren bewährten Schulbibliotheken – einstampfen. Die Juwelen für die Lesekompetenz. Das entbehrte jeder Vernunft.

Wir Eltern wollten da nicht mehr stillhalten.

Ina Philippsen-Schmidt

Ja, wir mischten uns nun ins Geschehen ein.

Für uns ging es um mehr als um die Rettung städtischer Planstellen. Die Zukunft unserer Kinder stand auf dem Spiel. Die Verantwortlichen gaben sich alle Mühe, ihre bildungspolitische Verantwortung dem Stadt-Kämmerer und kurzfristiger Interessen willen aufzugeben. Aber nicht mit uns!!

Bei einer Versammlung der Schulpflegschaften der Kölner Gesamtschulen sagte Kiki Mannhardt dazu:

Christel Mannhardt

Die haben vielleicht Nerven!! Und das nach Pisa.
Vor lauter Pisafrust machen die jetzt noch die Leselust kaputt

 

Angelika Casper, Ina Philippsen-Schmidt

Was hast du da gerade gesagt??

Ina Philippsen-Schmidt

So war der Name unseres Bündnisses geboren:

Angelika Casper, Ina Philippsen-Schmidt, Christel Mannhardt

Leselust statt Pisafrust.

Ina Philippsen-Schmidt

Während alle noch diese Wortschöpfung bewunderten, kritzelte ich ein Logo auf einen Fetzen Papier.

Angelika Casper

Hey, da ist ja auch schon das Logo zum Namen, da brauchen wir doch nur noch eine Postadresse.

Ina Philippsen-Schmidt, Christel Mannhardt

Gut, Deine!!

Ina Philippsen-Schmidt

Das war die ca. 2minütige Gründungsphase des Aktionsbündnisses Leselust statt Pisafrust.

Daraufhin trommelten wir Lehrer, Schüler, Eltern und Bibliothekare der betroffenen 21 Schulen zusammen.

Das Literaturhaus stand uns spontan zur Verfügung, wofür wir uns herzlich bedanken.

Nun hatten wir also schon Titel, Logo, Postadresse, Mitstreiter und einen Versammlungsraum.

Da fehlte uns noch eine Schirmherrin. Wir bedanken uns bei Frau Hedwig Neven-Dumont, dass Sie unserem Wunsch gefolgt ist, uns zu unterstützen.

Wir suchten dann noch Bündnispartner, die direkt mit Büchern – d.h. mit ihren Inhalten – zu tun haben, Schriftsteller. Davon hat Köln reichlich zu bieten. Zahlreiche Autoren, die in Köln leben, erklärten sich auf unsere Bitte hin bereit, die Patenschaft über eine Schulbibliothek zu übernehmen. Danke dafür.

Nun organisierten wir noch phantasievolle Aktionen, bei denen uns viele Menschen unterstützt haben, denen wir hier auch herzlich danken möchten. Mit geeinter Kraft wollten wir die Öffentlichkeit und die Politiker davon überzeugen, dass wir – ganz besonders vor dem Hintergrund der PISA-Ergebnisse – dafür zu sorgen haben, dass unsere Schulbibliotheken dem städtischen Rotstift nicht zum Opfer fallen.

Ein wenig haben sie zwischenzeitlich beigegeben – wenn es auch schwer war, erst die Schulpolitiker und noch schwerer, die übrigen Ratsmitglieder zu überzeugen,nachhaltig städtische Bildungsarbeit zu betreiben.

Wir konnten jedenfalls erreichen, dass keine Schulbibliothek dicht gemacht wird und dass derPersonalstand – der ohnehin schon über die Jahre von einst 20 Stellen auf 12 geschrumpft ist – auf dem Status Quo gehalten wurde.
Der städtische Haushalt wird weiter umkämpft sein
– und alles geht jetzt nach der Kommunalwahl von vorne los.

 

Angelika Casper

Uns wird jedenfalls nicht die Puste ausgehen.

Auch der künftige Rat wird seine Freude daran haben müssen, wie wir dieses Kleinod städtischer Bildungsarbeit verteidigen werden.

Und er wird jetzt sogar stolz darauf sein müssen, weil unser Aktionsbündnis zum Erhalt der Bibliotheken an den Schulen nun die Karl-Preusker-Medaille verliehen bekommen hat.

Damit ist Köln jetzt bundesweit bekannt mit einemVorzeigeobjekt städtischer Förderung von Lesekompetenz.

Vielen Dank an die Literaturkonferenz,
dass Sie uns und damit auch der Stadt Köln
zu dieser Ehre verholfen hat.

Christel Mannhardt

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir lassen nicht locker.

Wir lassen nicht zu, dass die von gelernten Bibliothekaren (immerhin ein Beruf mit langer Ausbildung) geleistete professionelle Arbeit in den Schulbibliotheken vonEhrenamtlern gemacht werden soll.

Um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen: wir reden nicht von engagierten „Lesemüttern“ in Grundschulen, sondern wir sprechen hier von Bibliotheken, die einenBestand von zum Teil fast 30.000 Medien haben, die seit Jahrzehnten gewachsen sind, immer professionell betreut wurden und täglich im Schnitt von jeweils bis zu 500 Schülern besucht werden.

Diese bildungsrelevanten Einrichtungen dürfen nicht einer kurz gedachten Sparpolitik zum Opfer fallen.

Denn wie das aussieht, wenn diese Einrichtungen vonEhrenamtlern betreut würden, davon geben wir Ihnen jetzt einen kleinen Vorgeschmack.

(Es folgte eine Satire von „Lisbeth“,
(Gesamtschulmutter aus Holweide)

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